Links oder rechts – kennen Sie sich noch aus?

Wir erinnern uns an die Zuschreibungen der Vergangenheit: So richtig traditionell links steht für die Vergesellschaftung der Produktionsmittel, den Sozialismus. Und den Sozialismus in seinem Lauf, so dachte zumindest Honecker, halten weder Ochs noch Esel auf.

So richtig traditionell rechts sind die glühenden Anhänger des Kapitalismus. Da kennen wir heute den „globalen Konzernkapitalismus“, in seinen Leitbildern allerdings oft rot und grün angestrichen. Und von früher erinnern wir uns an die populäre Soziale Marktwirtschaft mit strengen Wettbewerbsbestimmungen, einem prosperierenden Mittelstand und verbriefter Toleranz von Anders-Denken und  Andersdenkenden, mit einem daraus folgenden großen Meinungsspektrum.

Der alte Marx meinte, Vergesellschaftung der Produktionsmittel, das sei hier die (einzige)Frage[1] – also Sozialismus oder Kapitalismus, Sein oder Nicht-Sein?

Demgegenüber hat sich das Spektrum der Zuschreibungen erheblich ausdifferenziert.

Die Ablehnung von Waffenproduktion und Waffenlieferungen, gerade und vor allem in Krisengebiete, Pazifismus, das war lange eine unumstößliche Position der Linken. Frieden schaffen ohne Waffen, das war ein linker Slogan. Heute vertreten die AFD und das BSW, eine „rechte“ und eine „linke“ Partei beide diese Position, verlangen Diplomatie statt immer mehr Waffenlieferungen und warnen vor einem Dritten Weltkrieg.

Die Auflösung des Nationalstaats, die Weltrevolution, der Internationalismus – eine ur-linke Position. Im Gewand der Globalisierung, One World, Global Governance, der Weltregierung? – ermöglicht durch Digitalisierung und KI – kommen die großen Kapitalisten und ihre Anhänger mit dem gleichen Ziel (das die Klimakrise notwendigerweise nach sich ziehe) daher. Ist die Aufhebung der nationalen Staatsgrenzen also eine linke oder eine rechte Position?

Beim menschengemachten Klimawandel sind die Positionen auf den ersten Blick leichter zuzuordnen. Die als rechts Bezeichneten glauben weniger an der menschengemachten Klimawandel, die sich grün oder links Nennenden sind fest davon überzeugt. Die Unternehmen, anfänglich wohl etwas unsicher, tragen die Welle inzwischen an vorderster Front mit. Nicht nur, aber auch vor allem jene, die durch den Klimawandel mit ihren Produkten profitieren; E-Mobilität, die Bauindustrie durch die energetischen Vorschriften, die Heizungsindustrie, die Produzenten von Windrädern und Solarmodulen, ihre Zulieferer, teilweise auch die in diesem Bereich arbeitenden Handwerker usw. Die Umstellung auf Klimaneutralität füllt als Nebeneffekt die Auftragsbücher einer großen (Teil-)Industrie in ansonsten weithin gesättigten Märkten.

Die USA-Freundlichkeit oder -Ablehnung: Da geht es querbeet durcheinander. Raus aus der Nato, größere Unabhängigkeit von den USA, war früher eine Forderung der Linken. Die Grünen, die sich als links definieren, vertreten diesen Standpunkt nicht. Auch bei den Waffenlieferungen sind ihre Einlassungen – man denke an Herrn Hofreiter und Annalena Baerbock –  pro und Falken-mäßig.

Rechts ist mittlerweile, auch ohne den Zusatz -radikal, -extrem, ein Kampfbegriff, ein Ausgrenzungsbegriff für sich kritisch am öffentlichen Diskurs beteiligende Bürger geworden. Da unscharf definiert, finden sich auch überzeugte Linke und früher bekannte Militärs oder Politiker – wie Alice Schwarzer, Ulrike Guerot, Sahra Wagenknecht, Harald Kujat, Albrecht Müller – plötzlich mit dem „Vorwurf“ rechts konfrontiert.

Kennen Sie sich in diesem Dschungel noch aus?

 



[1] Er nannte die sich links gebenden Bürger Bourgeois-Sozialisten …

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