Früher war’n mehr Witze

Der „bierernste[1] teutonische Stil[2]“ hat in den letzten Jahren nach Eindruck vieler Zeitgenossen überhandgenommen. Gibt’s Gründe?

Nun, ja.

Humor und Witz – wie funktionieren die?

„Ein guter Witz nimmt uns mit auf eine kurze, erzählerische Reise und bringt uns zum Lachen. …  Religion, Politik, Elternschaft – es gibt kein Thema, das tabu ist.“[3] [4]

Zwei Stolperfallen für den Witzemacher springen sofort ins Auge; zumindest bei Politikern empfiehlt sich Vorsicht: Manche sollen eigene Büros mit ihren Anzeigen wegen Beleidigung beschäftigen. Und bei Religion ist sowieso Vorsicht geboten!

„Was darf Satire? Alles“, meinte Kurt Tucholsky 1919.[5] Und 2025?

Kabarett und Comedy

Die Älteren erinnern sich noch an die „Lach- und Schießgesellschaft“ oder ans „Düsseldorfer Kommödchen“? Die zogen die Regierenden nach Strich und Faden durch den Kakao. Und heute? Die Kabarettisten haben eine neue Perspektive, sie sind oft regierungsfreundlich und spotten eher über die Opposition. So funktioniert Wider-den-Stachel-der-Herrschenden-Löcken – so wie es schon die Narren in den vergangenen Jahrhunderten taten – aber nicht.

Die jeweilige Obrigkeit auf das menschliche Maß zu reduzieren, ist Kennzeichen des politischen Witzes.“[6]

In der (öffentlichen) Kommunikation

Mobbing ist schlimm, politische Korrektheit schafft(e) Abhilfe, wo es nötig war oder schien. Allerdings kann man es auch übertreiben.[7] Wenn auch der leiseste Spott aus dem Zielobjekt sofort ein bedauernswertes „Opfer“ macht, wenn ständig neue Tabuzonen errichtet werden, wird der Spötter zum „Täter“. Das überlegt sich jeder drei Mal. Leisetreterei, der Verlust der spitzen Feder, mangelnde Kritik und Kritikfähigkeit – sind das die Folgen?

Selbstironie 

Die höchste Form von Humor ist wohl die Selbstironie. Man lacht über sich selbst. Die Fähigkeit zur Selbstironie hat etwas mit Selbstbewusstsein zu tun. Man lässt sich in Frage stellen. Die Fähigkeit zur Selbstkritik soll eine unverzichtbare Tugend sein. Und: Von deinen Kritikern lernst du nun einmal mehr als von deinen Freunden.

Gibt’s im Jahr 2026 ein Revival des Humors? Mal sehen.

Lesen Sie schon mal einen Witz aus der Sammlung von Manfred Rommel[8], in der die Elle des Erlaubten noch viel, viel länger und das Lachen deshalb noch viel, viel häufiger war und aus der man deshalb viele, viele Witze heute nur noch mit schlechtem Gewissen oder gar nicht mehr zitieren kann.

Ein harmloser …

„Ein Herr schreibt an das Ministerium für Landwirtschaft:

‚Ich habe gehört, dass man durch Nichtaufzucht von Schweinen Geld verdienen kann. Ich bitte um nähere Auskünfte. Ich möchte auch in dieses Geschäft einsteigen und mit der Nichtaufzucht von hundert Schweinen beginnen. Gegebenenfalls bin ich bereit, mein Geschäft auf die Nichtaufzucht von tausend Schweinen auszuweiten.‘

Guten Rutsch!

# „der bierernste teutonische Stil“, politischer Witz, Humor, Manfred Rommel, Kabarett und die „Obrigkeit“

 

 

 

 



[1] https://gfds.de/bierernst/

[2] Siehe Frank-Planitz, U., in: Manfred Rommels Witze, Random House, 17. Aufl. 2014, S. 128.

[3] https://karlhosang.de/witz-schreiben-publikum-zum-lachen-bringen/

[4] Hervorhebung vom Blogger.

[5] So fragte Kurt Tucholsky 1919: „Was darf Satire? Alles.“ Dor, M. / Federmann, R., Der politische Witz, dtv, 7. Auflage 1976, S. 48.

[6] Ebda., ohne Seitenangabe, Geleitwort; Hervorhebung vom Autor.

[7] So schreibt Robert Sommer in seinem Buch „Alle Männer sind Schweine: Satirisches über politische Korrektheit. Gebundene Ausgabe 2023 gegen ‚die fast schon krankhaften Auswüchse der politischen Korrektheit‘.

[8] Manfred Rommels Witze, Random House, 17. Auflage 2014

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