Der Untertan: 

Wie entsteht Autoritätsgläubigkeit?

Über diese Frage dachten kluge Wissenschaftler schon lange vor den Katastrophen der faschistischen und kommunistischen Diktatur nach[1].

Ist es der „Herdeninstinkt“ (W. Trotter)?

„Der einzelne fühlt sich unvollständig …, wenn er allein ist. … Widerspruch gegen die… Herde ist soviel wie Trennung von ihr und wird darum angstvoll vermieden.“[2]

Der Wunsch zur Unterwerfung?

Sobald „… eine Herde Tiere oder eine Menschenmenge (zusammen ist), stellen sie sich instinktiv unter die Autorität eines Oberhauptes“. [3] [4] [5]

Massen ohne Führer gibt es allerdings auch.

„Der Führer …kann durch eine Idee, ein Abstraktum ersetzt sein …, wozu ja schon die religiösen Massen mit ihrem unaufzeigbaren Oberhaupt die Überleitung bilden, … eine gemeinsame Tendenz, ein Wunsch, an dem die Vielheit Anteil nehmen kann, (leistet) den nämlichen Ersatz…“[6]

Resümee

„Alle einzelnen sollen einander gleich sein, aber alle wollen sie von einem beherrscht werden. Viele Gleiche, die sich miteinander identifizieren können, und ein einziger, ihnen allen Überlegener (oder Überlegenes, eine gemeinsame Idee, ein gemeinsamer Glaube), das ist die Situation, die wir in der lebensfähigen Masse verwirklicht finden.“ [7]

Das Problem für demokratisch verfasste Systeme …

Wenn das Individuum zum Massenmenschen wird,

·         wird es dumm

·         aggressiv

·         möchte gehorchen, sich unterwerfen

·         will unverzüglich seine neuen Überzeugungen in Handeln umsetzen.[8]

Das Wissen[9] um die Eigenschaften der „vermassten“ Individuen ist verlockend für autoritäre Führer oder autoritäre Systeme, für Diktatoren oder solche, die es werden wollen – und gleichzeitig eine Gefahr für alle Demokratien, die das souveräne Individuum voraussetzen.



[1] Siehe die Ausführungen bei Sigmund Freud zu McDougall, Le Bon und Trotter in Freud, S., Massenpsychologie und Ich-Analyse, Erstveröffentlichung 1921 bei Psychoanalytischer Verlag Leipzig, Wien, Zürich, Anaconda 2024.

[2] Freud, S., a.a.O., S. 85.

[3] Le Bon, G., Psychologie der Massen, S. 86, zitiert nach Freud, S., a.a.O., S. 24.

[4] Eine gemeinsame Idee, ein gemeinsamer Glaube oder auch Hass auf andere Ideen oder anderen Glauben kann die Funktion des Oberhauptes als Identifizierungsobjekt ersetzen. 

[5] Hervorhebungen in den Zitaten vom Blogger.

[6] Siehe Freud, S., a.a.O., S. 30, S. 54f., S. 56 f.

[7] Freud, S., a.a.O., S. 91.

[8] Siehe Freud, S., a.a.O., S. 83.

[9] Wie immer in der Wissenschaft handelt es sich bei diesem „Wissen“ um (vielfach bestätigte) Hypothesen.

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