Zivilgesellschaft, kulturelle Hegemonie und Staat: Antonio Gramsci und seine Ideen

Begriff

Der Begriff der Zivilgesellschaft wurde 1989 zum ersten Mal von Wilhelm Haug in der Übersetzung der Schriften von Antonio Gramsci verwendet, heute ist er Allgemeingut.  „In einem engeren Sinn bezeichnet Zivilgesellschaft … die öffentliche Einflussnahme von Nichtregierungsorganisationen.“[1]

Person und Ziele

Der Marxist und Antifaschist Gramsci (1891 bis 1938; gestorben an den Folgen der in faschistischen italienischen Gefängnissen verbrachten Haft) war Philosoph, Journalist, Pädagoge, Politiker. Bis heute ist er ein viel beachteter wirkmächtiger Denker.

Er glaubte an den (notwendigen) Sieg des Sozialismus und Kommunismus (in seiner Diktion die regulierte Gesellschaft). Im Unterschied zu vielen seiner marxistischen Zeitgenossen und Nachfolger jedoch hatte er Geduld. Die Weltrevolution, die Transformation der Weltgesellschaft und in Sonderheit der bürgerlichen Gesellschaften des Westens hin zu Sozialismus und Kommunismus, war auch ihm heiß ersehntes Ziel; aber für diesen Prozess, der einen „Stellungskrieg“, einen auf längere Fristen ausgerichteten Kampf der revolutionären Kräfte im Rahmen der kapitalistischen Ordnungen verlangte, veranschlagte er nicht Jahre, sondern möglicherweise Jahrhunderte:

„Der Übergang zur regulierten Gesellschaft (könne) möglicherweise Jahrhunderte dauern.“[2]

Gramscis veränderte Methode revolutionärer marxistischer Praxis

Die Analyse westlicher Gesellschaften ließ ihn einen Unterschied machen zwischen Staat (der politischen Gesellschaft i.S.v. „institutionalisierten, juristischen und militärischen Machtstrukturen und -instrumente(n) der herrschenden Klasse“[3]) und der (in Ansätzen) vom Staat autonomen Zivilgesellschaft (dem „nichtstaatlichen Bereich der Gesellschaft, also die gesellschaftlichen Institutionen und Organisationen, die sozialen und kulturellen Beziehungen und Aktivitäten der Menschen, den geistigen, ideologischen religiösen Überbau der Gesellschaft“[4].

Die Zivilgesellschaft müsse man versuchen, moralisch und intellektuell zu führen, dort die Hegemonie, die Vorherrschaft, erlangen. Nur nach Erlangung dieser Hegemonie sei das Ergreifen der Macht, die Herrschaft in der politischen Gesellschaft, im Staat, möglich.  

Gramscis weiterentwickeltes Konzept revolutionärer Praxis ging über die nahezu gesetzmäßige Entwicklung des Absterbens des Kapitalismus hinaus; er nahm einen eher aktivistischen Standpunkt hin zur Beeinflussung des Bewusstseins der Intellektuellen und der Massen ein.

„Gramsci … maß … der (revolutionären) Rolle der politischen Subjekte, ihres Bewusstseins wie auch der nichtökonomischen Faktoren gesellschaftlicher Realität … die entscheidende Bedeutung bei.“[5]

„Wer die Köpfe der Menschen besetzt, besitzt die Macht?“[6]

 

 



[1] Wikipedia, Zivilgesellschaft; 6.4.2025 - 17.00 Uhr.

[2] Gramsci, A., Gefängnishefte, Bd. 4, S. 888, zitiert nach Neubert, H., Antonio Gramsci: Hegemonie – Zivilgesellschaft – Partei. Eine Einführung, S. 39.

[3] Neubert, H., a.a.O., S.61.

[4] Ebda.

[5] Neubert, H., a.a.O., S. 51.

[6] Luise Link, Mondia oder Die Verschwörung der Gleichen, Vorwort, S. 5.

https://buchshop.bod.de/mondia-oder-die-verschwoerung-der-gleichen-luise-link-9783740784027

 

Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog