55% und 105% mehr Rechtschreibfehler durch „progressive“ Ansätze: Ist das der Fortschritt?

Bei Pisa zurückgefallen

Bei der letzten Pisa-Erhebung fiel Deutschland weiter im internationalen Vergleich zurück. Leistungsmessungen sind nach Dafürhalten so manchen Bürgers dazu da, dass man regierungsseitig in sich geht und nach den Gründen fragt und – bei Einsicht in Fehler – schnellstens Konsequenzen zieht.

Liegt es am deutschen Reformismus?

Schon so manchen langwierigen fatalen schulpolitischen Fehler haben wir dem Reformismus – neu=gut – zu verdanken.

Ein Beispiel: Die Rechtschreibung

Wer bisher gedacht hat, Rechtschreibung sei nun einmal ein Set von Regeln und Absprachen, die man imitierend lernen müsse, sieht sich im (neuen) Wolkenkuckucksheim der Bildung getäuscht. Nein, Kinder sollen aus sich heraus Rechtschreibstrategien entwickeln. Wie das, bitte? Wird das zweitausend Jahre alte Rad in einigen Wochen neu erfunden?

Was kommt „hinten raus“?

Offensichtlich nicht viel, schaut man beispielsweise im hessischen Kerncurriculum[1] auf die „Kompetenz“ im Feld Schreiben, die der Schüler am Ende der Klasse 4 erreicht haben soll:

„geübte rechtschreibwichtige Wörter normgerecht schreiben“

Übersetzt heißt das wohl: Der Schüler kann ein paar Wörter, die geübt und für die Rechtschreibung wichtig sind, richtig schreiben?

Ist das möglicherweise ein bisschen sehr wenig?[2]

Sind die neuen Lernmethoden das Problem?

Vielleicht liegt’s an den Verfahren, die beim Rechtschreiben-Erlernen zur Anwendung kommen?

Schreiben nach Gehör[3], so dass sich die Fehler erst einmal schön einschleifen und dann im zweiten Ansatz, wenn sie denn endlich korrigiert werden, noch einmal gelernt werden müssen? Nichts ist so beständig wie der Fehler, weiß eine alte Lehrerweisheit.

Rechtschreibwerkstatt – die Kinder, die vom Schreiben als einem System von Regeln und Absprachen keinerlei Ahnung haben, erfinden das Rad selbst. Toll!

Der gute alte Rechtschreibfibel-Ansatz: Der ist zwar überhaupt nicht neu, aber eben überhaupt der bei Weitem effektivste.

Studie mit 3000 Grundschulkindern misst Rechtschreib-Leistungen

Bei einer Studie mit 3000 Grundschulkindern der vierten Klasse „machten Kinder, die mit Schreiben nach Gehör unterrichtet wurden, am Ende der vierten Klasse im Schnitt 55% mehr Rechtschreibfehler als Fibelkinder. In der Rechtschreibwerkstatt unterliefen den Schülerinnen und Schülern sogar 105% mehr Rechtschreibfehler als Fibelkindern.“[4]

Für „fortschrittliche“ Experimente sind Kinder und unser Land eigentlich zu schade, oder?



[1] Aus 2011/12.

[2] Im Kultusministerium Hessens scheint man sich der Problematik bewusst zu sein/zu werden? Kultusminister Alexander Lorz https://www.rnf.de/amp/hessen-lernmethode-schreiben-nach-gehoer-verboten-274007/: „Die Lernmethode Schreiben nach Gehör ist in den Schulen in Hessen nicht zulässig. … Dennoch gebe es immer wieder Hinweise darauf, dass an Schulen der Rechtschreibunterricht nicht durchgängig mit einer gezielten Gegenüberstellung der richtigen Schreibweise verbunden werde.“ Na, da gehören (neue) Lehrwerke sicherlich mal überprüft …

[3] Auch als „Lesen durch Schreiben“ bekannt. Und wenn auch nur nicht verbessert wird, ist das Verfahren de facto ein Schreiben der Kinder nach Gehör.

[4] magazin.sofatutor.com

Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog