„Die“ Wissenschaft und ihre Freiheit

Grundprinzip aller vernünftigen Wissenschaft, so glaubten die meisten von uns wohl bis vor einigen Jahren, ist der Dissens: die Auseinandersetzung um den richtigen Weg, die Wahrheitssuche, der schrittweise Fortschritt in den Problemlösungen und das ununterbrochene – und erwünschte – Hinterfragen.

Dass dies im real-existierenden Sozialismus des Ostblocks ganz anders gesehen wurde (Die Partei hat immer recht, sie hat ein Wahrheitsmonopol, dem niemand widersprechen darf und welches sie mit allen Mitteln durchsetzt.) war uns bekannt, wir wiesen es als Gesellschaftsmodell weit von uns.

Das Aufkommen „der“ Wissenschaft in den bundesdeutschen Medien, das in den letzten zwei Jahrzehnten immer üblicher geworden ist und sicherlich in der Corona-Krise einen Höhepunkt erreichte, hat wohl so manchen von uns Älteren, die in der Bonner Republik sozialisiert worden sind, verblüfft, wenn nicht gar entsetzt.

In der Medizin – dem Wissenschaftsgebiet, in dem es buchstäblich um Leben und Tod geht – ist ein Abweichen von den Prinzipien des Dissenses besonders schwerwiegend.

Und, wie man kürzlich lesen konnte, fallen unisono-Auslassungen aus „der“ Wissenschaft nicht selten unter das alte Sprichwort „Wes Brot ich ess, des Lied ich sing!“

Deutschlands verschwiegene Ärzteschaft (msn.com)

Wenn man dann noch bedenkt, dass die Drittmitteleinwerbung privater Sponsoren-Gelder durch Forschungseinrichtungen üblich ist und Forschungsstudien immer mehr durch die Industrie als durch staatliche Einrichtungen finanziert werden[1], muss man sich zwar um die Freiheit der Wissenschaft sorgen, aber kaum noch über „die“ Wissenschaft wundern.

 

 



[1] https://www.arzneimitteltherapie.de/heftarchiv/2007/03/medizinische-forschung-zunehmend-von-industrie-finanziert.html

Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog