Kontaktschuld?
Es hagelte heftige Kritik aus einigen politischen Ecken (z.B. von Frau Künast – Die Grünen), weil sich Theo Müller, der 83jährige Besitzer von Müller Milch, in Cannes mit Alice Weidel, eine der zwei Vorsitzenden der AFD, getroffen hatte; er habe sich über ihre politischen Überzeugungen informieren lassen wollen, verteidigte sich der Unternehmer. Spenden seien nicht geflossen – das betonten Müller und Weidel unisono.
Das Verbot, sich mit Geächteten oder in Ungnade-Gefallenen sehen zu lassen, ihnen Unterschlupf oder Unterstützung zu gewähren, gab es am Beginn der Neuzeit im 16. Jahrhundert (Vogelfreiheit). Das auch als „Kontaktschuld“ bezeichnete, mit Sanktionen bis hin zum Tod belegte „Verbrechen“, gab es im Dritten ebenso wie im stalinistischen Sowjet-Reich.
Lesen Sie mal, was Jan Fleischhauer 2019 zur Kontaktschuld im Spiegel geschrieben hat…
„Darf man als SPIEGEL-Redakteur an einer Geburtstagsfeier teilnehmen, zu der auch Menschen mit rechter oder sogar rechtsradikaler Gesinnung eingeladen sind? …In einem Fragenkatalog verlangte er (Jan Böhmermann) von meiner Chefredaktion Auskunft, ob sie vorab Kenntnis von der Zusammenkunft[1] gehabt habe und wie sie es bewerte, wenn Redaktionsmitglieder "mit Neonazis Party machen"…Das ist ja der Vorwurf: Wer mit solchen Leuten auf einer Geburtstagsfeier zusammenstehe, normalisiere rechtes Denken und trage es damit in die bürgerliche Mitte.
Wenn man diesen Gedanken zu Ende denkt, dann ist jeder Kontakt, und sei er noch so zufällig, ein Schuldbeleg. Im Prinzip reicht es schon, dass man sitzen bleibt, wenn einer mit der falschen Gesinnung an den Tisch tritt. …
Das Denken der Segregation verlangt nach rigiden Entscheidungen. Sein Ziel ist die Isolation des Menschen, der als Gegner identifiziert wurde. Freundschaft, Familie, Loyalität - das alles steht dabei im Weg. …
Man darf sich nicht täuschen lassen. Die Verdächtigungen und Denunziationen haben Konsequenzen. … Heute ist es eine Geburtstagsfeier, bei der man gesehen wurde, morgen eine Beerdigung. …
Ich will nicht in einer Gesellschaft leben, in der die Frage, ob man an der Geburtstagsparty eines Freundes teilnimmt, zur Mutprobe wird.“
Andere Prominente hat der Vorwurf der Kontaktschuld auch schon betroffen. Harald Schmidt beispielsweise, zu sehen auf einem gemeinsamen Foto mit Matussek und Hans-Georg Maaßen bei einer Weltwoche-Party...
Na ja, vielleicht muss man sich heute, nach weiteren vier Jahren, sogar gut überlegen, ob man Jan Fleischhauer noch zitieren darf, oder? Beim Spiegel ist er ja nicht mehr …
[1] Fleischhauer hatte an der Geburtstagsparty seines Kollegen und Freundes Matthias Matussek teilgenommen.
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