Pasteten-Sozialisten und Ankündigungs-Weltmeister
Wer schon ein bisschen älter ist, kennt den Namen noch, für Leute, die links reden und rechts leben. Da gab es zum Beispiel diesen Kultusminister, der für die flächendeckende integrative Einheits-Gesamtschule eintrat, aber seine eigenen vier Kinder auf ein Elite-Internat schickte. Pasteten-Sozialist eben.
Sagen und tun
Auch Jean-Jacques Rousseau, der berühmte Philosoph, liefert ein eindringliches Beispiel. „In seinem Erziehungsroman Émile, 1762 erschienen und bis zum heutigen Tage der berühmteste Erziehungsratgeber der Weltliteratur, gesteht der Verfasser Kindern zum ersten Mal eine lange und unbeschwerte Kindheit zu. Er sieht sie als eigenständige Persönlichkeiten, die auf ihre Weise denken und empfinden.“[1] Seine eigenen fünf Kinder allerdings gibt er ins Waisenhaus, damals fast der sichere Weg in den frühen Tod. „Die allgemeine Kindersterblichkeit (im Zeitalter des Absolutismus, d. Verf.) war hoch, jedes fünfte, zuhause aufgezogene Kind verstarb im ersten Lebensjahr. Demgegenüber waren aber mehr als zwei Drittel aller Kinder im Findelhaus (Waisenhaus, d.Verf.) bereits nach einem Jahr tot. Überlebende Findlingskinder wurden mit ihrer Amme aufs Land geschickt. Auch dort war ihre Sterblichkeit außerordentlich.“[2]
"Anstatt das Erforderliche zu tun, will ich mich es zu sagen bemühen", stellt Rousseau in Emile, S. 43 lapidar fest.
Alles Moralapostel?
Heute reibt man sich fast ständig die Augen, wie moralisch alle sind. Die Vereine, die Landfrauen, Nicht-Regierungs-Organisationen, auch die Unternehmen. Alle sind heute zumindest grün, aber oft auch rot angestrichen.
Der Erfinder der professionellen Philanthropie für die Superreichen, der Stahl-Tycoon Andrew Carnegie, wird mit „Der Mensch, der reich stirbt, stirbt schändlich“[3] zitiert, hat auch von seinem Vermögen - beim Tode im Jahr 1919 85 Milliarden Dollar (umgerechnet) - etwa 10 Milliarden (ebenfalls umgerechnet) gespendet, aber ob 95 oder 85 Milliarden Vermögen, das macht ja nun auch nicht den Unterschied in der Lebensqualität.
Einer seiner Biographen stellt fest: „Motto war ‚Tod allen Privilegien‘. Doch als Herrscher über seine eigenen Fabriken in Pittsburgh zwang Carnegie die Arbeiter zu sieben Tagen Arbeit die Woche, gewährte ihnen keinen Urlaubstag außer Weihnachten und dem 4. Juli, zahlte ihnen knauserige Löhne und ließ sie in schmutzigen Siedlungen wohnen, wo das Trinkwasser direkt neben dem Abwasser lief. Ein Fünftel von Carnegies Arbeitern kam bei Unfällen um“ (S. 114)[4].
Zwischen Reden und Tun ist halt ein himmelweiter Unterschied …
[1] Luise Link, Utopisch, Twentysix 2020, S. 16 f.
[2] Ebda., S. 30.
[3] Andrew Carnegie (1835 - 1919), schottisch-US-amerikanischer Stahlmagnat¸ Quelle: Carnegie, The Gospel of Wealth, in: The Pall Mall Gazette, 1889. Übers. www.aphorismen.de
[4] Peter Krass: Carnegie. Hoboken, New Jersey, John Wiley & Sons, Inc. 2002, Seite 47; bisher nur auf Englisch erschienen, zitiert bei: Alberto Manguel: Die Bibliothek bei Nacht. Frankfurt am Main, S. Fischer Verlag GmbH 2007, S. 117.
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